Fan sein, ganz und gar, hin und weg

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    • Fan sein, ganz und gar, hin und weg

      wer kennt sie nicht - die Fans oder den Fan. Im Fußball ganz besonders, derzeit sowieso, wo sie mit Fähnchen durch die Gegend fahren, als würde das KfZ Kennzeichen nicht deutlich genug auf die Nationalität hinweisen. Nein, jetzt beim Fußball der Männer (bei den Frauen sah man nicht halb so viele Fähnchen) werden manche ganz besonders deutsch. Klasse finde ich, wenn an einem Mehrfamilien Haus mit unterschiedlichen Nationalitäten auch ganz viele unterschiedliche Fahnen flattern. Das hat was Völkerverständigendes. Weitere Gedanken zur Fan Kultur findet sich in

      dradio.de/dkultur/sendungen/kritik/1204141/

      Jochen Roose, Mike S. Schäfer, Thomas Schmidt-Lux (Hg.): "Fans. Soziologische Perspektiven", VS Verlag, Wiesbaden 2010, 442 Seiten
      Soziologen untersuchen die Fankultur - wenig Konkretes finden sie in diesem Sammelband heraus, aber immerhin lernen wir:

      Das Leben als Fan hat karnevalesken Charakter, bietet Exzess und Prügelei, wirkt aber auch oft bierernst und ein bisschen spießig.

      Die Soziologie gilt als Wissenschaft von den Massenphänomenen. Da sollte man meinen, das Phänomen des "Fans" sei ein besonders dankbares soziologisches Objekt. Merkwürdigerweise beginnen aber viele Aufsätze dieses Sammelbandes mit der Bemerkung, es gebe nicht viel Forschung dazu. "Na, dann macht doch selber welche", möchte man rufen.

      Aber auf mehr als 400 Seiten kommt keine einzige anschauliche Studie über konkrete Fans vor. Stattdessen werden vor allem Theorien referiert, die man auf den Fan anwenden könnte, und es wird anhand einer offenbar mageren Forschungsliteratur referiert, was über den Fan herauszufinden sich lohnen würde. Man wartet ständig auf soziologische Barzahlung, aber die kommt nicht.

      Immerhin kann ein robuster Leser sich aus den vielen Referaten ein Bild davon machen, was wir über den Fan wissen. Der Begriff kommt Ende des 19. Jahrhunderts auf und verbreitet sich dann rasch mit dem Massensport, den Medien und der Popkultur. Er meint die leidenschaftliche und langfristige Beziehung zu einem öffentlichen Objekt der Verehrung - Ehefrauen sind nicht Fans ihrer Gatten, trotz David Beckham und Posh Spice.

      Beim Fanobjekt kann es sich um eine Person, eine Gruppe, aber auch um eine Organisation handeln, wie Sportvereine beweisen, deren Fans der Austausch des verehrten Personals oft gleichgültig ist. Ob es sich aber auch um Vögel oder Pilze handeln kann, wie manche Beiträge nahelegen? Sind Angler Fischfans? Oder Angelfans?

      Fans verehren aber nicht einfach nur, sie tun es aktiv: durch Anhäufung von Wissen über das Objekt, durch das Sammeln von Symbolen und durch Reisen. Wie Touristen suchen sie echtes Erleben. Fans genießen das Drama im Objekt: das Konzert, das Spiel im Stadion und die Biografie ihrer Stars. Dazu braucht es entlastete Zeit. Fans gibt es erst, seitdem die Wochenenden frei sind und der Mensch sein Selbstbild nach seinen Konsummustern einrichtet. Darum sind Fans im Durchschnitt auch jünger als die Bevölkerung: weil die Jugend mehr Zeit hat. Was nicht heißt, dass Bayreuth-Pilger keine Fans wären.

      Egal ob E oder U - die Verhaltensweisen der Fans gleichen einander. Leute mit Abitur sind eher Fans von Regisseuren als von Schauspielern und eher Mitglieder der George-Gesellschaft als des HSV, Männer sind eher Sportfans, Mädchen eher Boygroup Fans, Wohlhabende eher Tiger Wood-Fans, Junge eher Podolski- und Ältere eher Beckenbauer-Fans. Das alles zu erklären braucht man aber keine Forschung, so viel Soziologie hat jeder selbst in sich.

      Interessant ist die Beobachtung, dass die Fans sich selber unterscheiden: in echte, beiläufige und solche, die daraus eine Art Freizeitberuf machen. Einerseits imitieren die Fans also den Alltag und haben ihre eigenen Spezialisierungen, Organisationen, Forschungen. Andererseits - darauf weist der beste Beitrag des Bandes hin, der von Winfried Gebhardt über "Fans und Distinktion" - hat das Leben als Fan einen karnevalesken Charakter. Hier kann im Alltag Sonntag sein. Hier werden völlig ferne Personen nah erlebt. Hier hat der Laie Wissen, das kein Akademiker besitzt.

      Wie in jedem Karneval, so lauert auch in diesem der Exzess und die Prügelei. Und wie jeder Karneval, so wirkt auch die Fanwelt oft bierernst und ein bisschen spießig.

      Besprochen von Jürgen Kaube

      Jochen Roose, Mike S. Schäfer, Thomas Schmidt-Lux (Hg.): Fans. Soziologische Perspektiven
      VS Verlag, Wiesbaden 2010
      442 Seiten, 34,95 EUR